Entwicklung der Abteilung Handball

(Text aus der Festzeitschrift 100 Jahre TuSpo 1888 Guxhagen e.V.)
 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnen die Turnvereine damit, die von Guts-Muths entwickelten „leichtathletischen Leibesübungen“ wieder zu entdecken. Diese „turnerischen volkstümlichen Übungen“ betreiben zunächst nur die traditionellen Turnvereine als „Rasensport“. Die erste Olympiade neuer Zeitrechnung – Athen 1896 – bereitet weiteren Boden für die Ausübung von „Ballwettkampfsport“ vor. Auch in der Deutschen Turnerschaft (DT) gewinnt das aus England zu uns gekommene Fußballspiel schnell Freunde. Eine reaktionäre Gegenströmung innerhalb der DT wendet sich jedoch entschieden gegen die „Engländerei“, gemeint ist der Fußball, so dass es bald zu einer heftigen Kontroverse kommt. Wegen der unüberbrückbaren Gegensätze scheren zahlreiche Vereine aus der DT aus, gründen DT-unabhängige Vereine und betreiben vorrangig das Fußballspielen (z. B. 1887 SC Germania Hamburg, heute HSV). Die rasante Entwicklung des Fußballspiels in Deutschland führt im Jahre 1900 zur Gründung des Deutschen Fußballbundes (DFB).

Dieser kurze geschichtliche Exkurs ist notwendig, denn das Handballspiel leitet sich in seinen Ursprüngen vom Fußball ab. Über Skandinavien (1898 dänischer Haandbold, 1905 schwedischer Handboll) gelang das Spiel als „sanftere Abart des Fußballs“ nach Deutschland. Ursprünglich als „Damensport“ gedacht, wird der Handball jedoch zunächst zur Domäne der Männer. Hagelbauer (1907) und Schelenz (1919) entwickeln feste Spielregeln und lassen Deutschland schnell zum Mittelpunkt des Handballsports auf internationaler Ebene werden. Trotz aller Bedenken kann sich auch der DT nicht vollständig gegenüber der Spielbewegung verschließen. Im Rahmen der jährlichen „Turnspiele“ kommt es 1921 zur Austragung einer Deutschen Handballmeisterschaft innerhalb der DT. Auch im europäischen Ausland ist die Entwicklung ähnlich. Bereits 1928 entsteht als Dachorganisation die „International Amateur Handball Federation“.

In Guxhagen beginnt das Handballspielen etwa 1922/23 unter der Trägerschaft der Turngemeinde. Leider fehlen jegliche Aufzeichnungen über den genauen Zeitpunkt. Nach Befragung von Zeitzeugen lässt sich jedoch die Entwicklung noch einigermaßen rekonstruieren.

Demnach kommen die entscheidenden Impulse vom damaligen Vereinsvorsitzenden Carl. In Kassel spielen neben Polizei und Reichswehr bereits einige Vereine Handball. Carl kann zwei Aktive aus Kassel – Anton Jacob (später Schiri-Obmann) und Otto Becker – als „Trainer“ gewinnen. Beiden gelingt es, in kurzer Zeit aus den Reihen der sportbegeisterten Turner eine Handballmannschaft zu formen. In den wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeit kann der Verein den jungen Spielern keinerlei finanzielle Unterstützung gewähren. Mit ausgeliehenen Bällen spielt man auf „Bonn’s Wiese“, Schuhe und Trikots müssen selbst gekauft, die Fahrten selbst bezahlt werden. Die talentierten Spieler zeigen großen Enthusiasmus und steigen rasch in die oberste Spielklasse des Turngaus Fulda-Eder auf (Turngau Fulda-Eder umfasst etwa die Kreise Melsungen, Fritzlar-Homberg und Ziegenhain). In dieser Spielklasse erringt die Mannschaft 1927 die Gaumeisterschaft.

Trotz der sportlichen Erfolge besteht ein gespanntes Verhältnis zwischen der jungen Mannschaft und einigen konservativen Vorstands- und Vereinsmitgliedern. Die Satzung der TG 1888 schreibt nämlich für alle aktiven Vereinsmitglieder bindend den Besuch von fünf Turnstunden vor. Die Handballspieler möchten gern von dieser Verpflichtung entbunden sein, die konservativen Kräfte jedoch bestehen auf der Erfüllung der Satzung. Zum Eklat kommt es in einer Monatsversammlung im Jahre 1928. Die Handballer beantragen die Anschaffung eines Handballs, der Kassierer verweigert den Kauf. Spontan verlässt daraufhin die 1. Mannschaft fast geschlossen das Vereinslokal Simon, gefolgt von einer Anzahl jüngerer Vereinsmitglieder. Noch am gleichen Abend wird im Gasthaus Riedemann ein neuer Verein – der „Sportclub 1928“ – aus der Taufe gehoben. Der „Aufstand“ der Jungen gegen das orthodoxe Denken der Alten ist nicht in den Vereinsakten festgehalten, sondern nur durch glaubhafte Aussagen von Zeitzeugen belegt.

Innerhalb kurzer Zeit verlässt der überwiegende Teil der jüngeren Vereinsmitglieder die Turngemeinde und tritt dem Sportclub bei. Ein bis zwei Jahre versucht man noch den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, etwa im Jahre 1932 muß in der TG jedoch das Spielen aufgegeben werden.

Tonangebend ist mittlerweile der „SC 28“. Aus dem 1933 verbotenen Arbeiter-Turnverein und den „Überläufern“ aus der Turngemeinde bilden sich neue Mannschaften.

Der SC 28 schließt sich dem Westdeutschen Spielerverband (WSV) an. Sportlich kann man jedoch nicht an die Erfolge der Gaumeistermannschaft anknüpfen, denn bereits das erste Spiel im WSV geht mit 1 : 17 Toren gegen Hessen Preußen verloren (allerdings mit nur 10 Spielern).

Im Turngau Fulda-Eder entwickelt sich Jahn Gensungen zur Spitzenmannschaft.

Der politische Umschwung bringt zudem eine entscheidende Verlagerung, denn die Spieler werden durch sportliche Betätigung in Arbeitsdienst und Parteiorganisationen ebenfalls stark gefordert. Viele Spieler springen ein, wo sie gerade benötigt werden, gleichgültig, ob im Handballspiel oder auf dem Fußballfeld. Die Gleichschaltungsbestrebung der Nationalsozialisten beenden auch den Weg des Sportclubs 1928, denn im Jahre 1938 entsteht auf politischen Druck – durch Fusion von Sportclub 1928 und Turngemeinde 1888 – der VfL 1938 Guxhagen. Nach einem Jahr kommt durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges das sportliche Leben auf breiter Basis zum Erliegen.

Nach dem Krieg bestimmt die Besatzungsmacht durch ein Gesetz der Militärregierung auch das Ende des VfL Guxhagen. Es darf künftig nur einen Verein in jedem Ort geben. Diese Anordnung führt dazu, dass sich im Jahre 1946 die Guxhagener Sportler in der Turn- und Sportvereinigung Guxhagen 1946 zusammenfinden. Damit beginnt auch der Handball wieder Fuß zu fassen.

Die Entwicklung nach 1945 schildert Helmut Mohr wie folgt:
Im Jahr 1946 gründen „Männer der ersten Stunde“ mit der jüngeren Generation wieder eine Handball-Abteilung.

Es besteht Nachholbedarf. Man will wieder – wie vor dem Krieg – Handball spielen. Daher wird sehr schnell eine Männermannschaft gebildet, gefolgt von einer männlichen Jugendmannschaft und – erstmalig in Guxhagen – entsteht eine erste Frauenhandballmannschaft.

Man beginnt zunächst mit Freundschaftsspielen gegen benachbarte Vereine wie Dittershausen, Guntershausen, Wollrode, Körle, Grifte, Deute, Melsungen, Malsfeld, Ostheim, Mosheim, Melgershausen und Böddiger, spielt aber auch gegen Hessisch Lichtenau und Marburg.

Es folgen dann Serienspiele auf Kreisebene. Die Spiele müssen unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen ausgetragen werden. Gespielt wird nur auf Großfeld mit 11 Spielern nach den alten Spielregeln (Abseits, Eckball, 13 m Strafwurf) und ohne Auswechselspieler. Solange der TSV Wollrode noch nicht wieder Handball spielt, verstärken einige Wollröder unsere Mannschaft (H. und W. Siemon, L. und W. Umbach). Als Wollrode den Spielbetrieb wieder aufnimmt, wechseln die Spieler zurück. In Guxhagen macht sich der Wechsel bemerkbar; es beginnt eine „magere“ Handballzeit.

Helmut Mohr schließt sich der Schiedsrichtervereinigung an, belegt Kurse bei Anton Jacob in Kassel und Heinz Assmann in Gensungen und leitet bis etwa 1952 A-Klassen-Spiele im Kreis Melsungen.

Aus beruflichen Gründen verlässt Helmut Mohr 1953 Guxhagen. Die 1. Herrenmannschaft löst sich nach kurzer Zeit auf. Mit einer Jugendmannschaft versucht Hans Monk Mitte der 50er Jahre einen Neuanfang. Die Mannschaft spielt mit wechselndem Erfolg etwa bis 1960 (auch als 1. Mannschaft) weiter. Sie löst sich auf, weil viele Spieler wegen ihrer Berufsausbildung bzw. Wehrpflicht Guxhagen verlassen.

Von 1960 bis 1969 wird in Guxhagen kein Handball gespielt.

Aus dem Protokoll der Jahreshauptversammlung vom 22.3.1969 geht hervor, dass Helmut Mey eine männliche Jugendmannschft aufgebaut hat. Das „Zwischenspiel“ dieser Mannschaft endet 1971.

Inzwischen formiert sich allerdings erneut eine Damenmannschaft (1970), die von der Spielertrainerin Renate Häusler betreut wird.

Zunächst trägt man nur Freundschaftsspiele aus. Am 1.7.1971 beginnt jedoch auf Kreisebene die erste Serie (Kleinfeld), daran schließt sich im Winterhalbjahr die Hallenserie an. Für den Trainingsbetrieb wird die Halle der Mittelpunktschule benutzt. Weil die Halle nicht das vom DHB geforderte Maß hat, kann kein Heimspiel in Guxhagen stattfinden.

Der wieder nach  Guxhagen zurückgekehrte „Althandballer“ Helmut Mohr übernimmt die Betreuung und das Training dieser Mannschaft. Schon bald entsteht eine weibliche Jugendmannschaft. H. Mohr betreut die Handballerinnen von 1972 bis 1984. Jahr für Jahr nimmt man an der Kleinfeldserie teil.

1987 folgen zwei weitere Jugendmannschaften. In seiner 12jährigen Tätigkeit als Trainer, Betreuer und Abteilungsleiter findet Helmut Mohr tatkräftige Unterstützung durch die Sportfreunde H. Dittmar, K. Gerlach, K. Bonn, H. Stephan und W. Vogelsberg.

In der Jahreshauptversammlung 1984 übergibt Helmut Mohr die Abteilungsleitung an Dr. Detlev Krüger.
Er berichtet:
Ziel ist es, auf dem vorhandenen guten Potential aufzubauen und ein Leistungskonzept für die Abteilung zu entwickeln. Erste Früchte dieser Arbeit sind der Kreispokalsieg und die Vizemeisterschaft der weiblichen B-Jugend in der Saison 1984/85.

Weitere Erfolge stellen sich 1985/86 ein:
Die 1. Frauenmannschaft wird Kreismeister der B-Klasse und schafft den Aufstieg in die A-Klasse. Der weiblichen B-Jugend gelingt erstmalig die Qualifikation für die Bezirksliga.

Zwei Ereignisse bestimmen die Saison 1986/87:
Einerseits kann durch die Einweihung der Großsporthalle der Trainingsbetrieb verbessert werden, zum anderen wird ein neuer Versuch gestartet, die Abteilung zu vervollständigen – es wird wieder eine Männermannschaft gegründet. Mit großem Engagement arbeitet Dietrich Kamien mit dieser Mannschaft. Ihren Höhepunkt erreicht die Arbeit in der Abteilung mit der Saison 1987/88. Der weiblichen A-Jugend gelingt der Aufstieg in die höchste hessische Spielklasse – die Oberliga. Folgende Spielerinnen sind beteiligt: Cl. Knoll, B. Günther, N. Hunold, M. Ickler, M. Krug, T. Kleimann, S. Dietrich, A. Wedemeier, B. Köbberling, S. Fromm mit Trainer Achim Kothe.

Aus der Mannschaft wird B. Köbberling in die Hessenauswahl in B-Jugend berufen.

Mit dem Spielbetrieb von 2 Männer-, 2 Frauen- und 5 Jugendmannschaften, sowie einem geregelten Schiedsrichter- und Sekretärswesen sieht die Abteilung im Jubiläumsjahr 1988 beruhigt den nächsten 100 Jahren Vereinsgeschichte entgegen